Waldlager
🌞 31.10.2024
Gruppenweise
In vielstämmigen Gruppen stehen die Haselbüsche am Hang. Lockeres Erdreich darunter, bedeckt mit Buchen-, Hasel-, Eichen- und Ahornlaub. Die Nüsse darin sind kaum zu finden. Ab und zu steckt ein Pilz seinen Kopf durch die Blätterschicht. Scheidenstreiflinge, Knollenblätterpilze und ein luftgetrockneter Fliegenpilz.
Ich rutsche auf dem lockeren Erdwerk nach unten. Muss mich an den Haselstämmen wieder nach oben ziehen, um überhaupt weiterzukommen. Makellos blauer Himmel über mir. Die Luft lau wie im Frühling. Neugierig, was die Natur heute für mich bereithält, arbeite ich mich durch das Dickicht auf die Geländekante über mir zu. Bewundere die Vielzahl der unterschiedlichen Rindenstrukturen, die Farben der herbstlichen Blätter. Grün, gelb, orange und rot in allen möglichen Abstufungen und Farbtönen.
Stop
Und plötzlich geht es nicht mehr weiter. Zu dicht das Unterholz. Dornige Berberitzen versperren mir den Weg nach links und nach rechts. Und auch nach vorne schaut es nicht anders aus. Ein paar Schritte versuch ich es doch. Bück mich und schlüpf unter ein paar höheren Zweigen durch, steig über die niedrigen. Bleib mit den Haaren hängen, sodass es mir die Spange vom Kopf reißt. Kann mich kaum danach bücken, weil mein Shirt festhängt.
Also doch zurück! Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Frisch gezopft und das Leibchen wieder in die Hose gesteckt trete ich den Rückzug an. Nutze das Rutschen auf dem Hang jetzt dafür, um schneller vorwärts zu kommen.
Staksebeine
Wie komm ich jetzt wieder auf den Steig? Wie ein Storch stakse ich durch das Brombeergestrüpp. Drücke mit jedem Schritt die pieksenden Ranken zu Boden. Sie werden es mir verzeihen und hinter mir sofort wieder in die Höhe schnellen.
Im Schatten der Sal-Weiden steht verblühter Dost. Zypressen-Wolfsmilch und Huflattichblätter zieren den Wegrand. Efeu rankt sich bis in die Kronen der Ahorn- und Fichtenbäume. Junge Täublinge durchbrechen die Erdoberfläche. Violett-rote und braune Hüte auf brüchigen, weißen Stielen. Ich mach die Täublingsprobe. Beiß ein Stück vom Hut ab und spuck es nach gründlichem Kauen wieder aus. Der Braune schmeckt mild und ist damit genießbar. Der Rote brennt bald wie Chili auf der Zunge und bleibt im Wald.
Kennst du dich mit Täublingen aus? Ich bin erst beim Lernen.
Zersetzung
Da! Ein Paukenschlägel! Ein junger Parasol, nur echt mit dem genatterten Stiel. Der Stumpf einer Fichte ist komplett mit Hallimasch bedeckt. Von allen Seiten fressen sie ihn auf. Zersetzen sein Holz, damit es Nährboden für neues Leben wird.
Hier ein Steinpilz, von der Trockenheit gezeichnet. So nehme ich in sicher nicht mehr mit. Beim nächsten, der so wunderschön gewirkt hat, fangen die Röhren schon an zu schimmeln. Also ist auch er tabu für mich. Der aufgeschirmte Parasol muss verdorben sein. Er verströmt einen unangenehmen Geruch. Zeichen für den Abbau von Eiweiß. Dafür gibt zwei Schritte weiter wieder einen schönen Paukenschlägel als Trost.
Wohnstatt
Das hab ich nicht erwartet! Eine kunstvoll gefertigte Rindenhütte mitten am Hang. Mit eigener Kochstelle und professionell gegen das Abrutschen gesichert. Eidechsen flitzen unter den verdorrten Zweigen am fast leeren Holzlagerplatz hin und her. Menschliche Laute sind keine zu hören an diesem wunderschönen letzten Oktobertag.
Während ich weiter nach Essbarem Ausschau halte kreuzt eine Gruppe Semmelstoppelpilze meinen Weg. Und bald landet auch der erste Steinpilz in meinem Korb. Flockenhexen liegen im weichen Moos. Sonnen sich mit ausgebreitetem Hut. Riesengroß ist der Fichtenreizker, und seine Kinder miteinander verwachsen. Die Zwillinge, eng umschlungen, steck ich natürlich beide ein.
Kümmerlich
Nicht so üppig wie von den letzten Wochen gewöhnt scheint heut die Pilzernte auszufallen. Doch Löwenzahn und Rotklee werden von mir auch nicht verschmäht. Erdbeerblätter dazu, Breit- und Spitzwegerich. Den schönsten Giersch unter all den verwelkenden Blättern pick ich heraus. So werden meine Sammeltaschen trotzdem voll. Zwischendurch ein paar Springkrautsamen von zerfallenden Stängeln.
Und auch die kleine Dose kommt zum Einsatz. Der erste Wacholderstrauch, bei dem sich das Sammeln lohnt, steht vor mir. Spitze Nadeln bohren sich in meine Fingerkuppen, als ich die trockenen blauen Beeren von den Zweigen zupfe.
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