Orchideen und Knaben

⛅ 27.06.2024

Myriaden von Fliegen

Die Kühe wurden weiter nach oben getrieben. Genau über den Weg, auf dem ich gerade gehe. Die Weiden rundherum sind abgefressen. Das Gras ganz kurz. Und dazwischen nur, was dem Vieh nicht schmeckt oder unverträglich ist. Stachelige Disteln und am Rand Inseln mit Brennnesseln. Auch Hahnenfuß ist stehengeblieben. Die kleinen, gelben Blüten dürfen weiterstrahlen.

Überall frische Kuhfladen. Darauf Myriaden von Fliegen. Sobald ich mich nähere, schwirren sie auf. Dunkle, brummende und summende Wolken, durch die ich hindurchmuss.

Ich halte die Luft an und mach den Mund zu. Keine davon will ich einatmen oder gar schlucken. Was sie gerade verzehrt haben!

Glockenblumen? Echt?

Endlich die Abzweigung. Ein paar grob gehobelte Baumstämme durch die Halterung aus Pflöcken geschoben dienen als Tor im Zaun. Ich klettere darüber, wate dahinter durch den Bach und bin im kuhfladenfreien Gelände.

Ein alter Forstweg. Nur noch selten begangen, doch nicht mehr befahren. Hohes Gras, Unmengen von Schafgarbe und Habichtskraut. Und Teufelskrallen, die ihre blau-violetten Blüten am ährigen Blütenstand in die Höhe recken. Kaum zu glauben, dass sie zur Familie der Glockenblumen gehören! Ich sehe jedenfalls keine Ähnlichkeit. Und du?

Schafgarbe
Schafgarbe
Blatt vom Echten Dost
Habichtskraut
Teufelskralle
Teufelskrallen, ...
Teufelskralle
... und das auch

Rot-weiß-rot

Schon leuchten die ersten Erdbeeren am Wegesrand. Manche saftig und dunkelrot durchgefärbt. Andere locken mich nur mit ihrem Rot und zeigen mir dann lachend ihre weiße Unterseite. Ich bücke mich, um sie zu pflücken. Doch da sind noch welche. Und dahinter auch. Also bleib ich gleich am Boden. Arbeite mich auf allem Vieren von Erdbeerplatz zu Erdbeerplatz. Zu faul, um zwischendurch immer wieder aufzustehen.

Wie machst du das, wenn du solche Mengen findest?

Gold

Und da!  Auf der Böschung. Unter den Lärchen ein paar Goldröhrlinge. Zwei leider schon viel zu alt. Aber der eine, der schon aufgeschirmt hat, hat noch schöne gelbe Röhren. Und bei den vier anderen ist das Velum noch geschlossen. Die Haut, die später einreißt und deren Rest dann als Ring am Stiel hängenbleibt.

Die Eierschwammerl (Pfifferlinge) haben sich im feuchten Moos versteckt. Sobald ich eines entdeckt habe und mich danach bücke, seh ich auch die anderen. Nur kleine Gruppen. Aber schon groß genug, um sie mitzunehmen.

Von Schnecken und Maden

Ob im Wald dahinter mehr davon stehen? Denn einer kommt selten allein. Ja, Wirklich! So viele! Aber die meisten erst stecknadelkopfgroß. Die bleiben natürlich da und dürfen weiterwachsen. Ein paar Fichten weiter hinten ein großer brauner Hut. Sicher ein Steinpilz. Und was für einer! Der Stamm fühlt sich gar nicht so weich an. Aber die Röhren sind schon olivgrün verfärbt und an den Schneckenfraßstellen sehe ich, wo sich die Maden durch das weiße Fleisch gebohrt haben. Immerhin ein wunderbares Fotomotiv! Auch mit den nächsten habe ich kein Glück. Also wieder zurück auf den Weg.

Walderdbeeren
Walderdbeeren
Goldröhrling
Goldröhrling
Pfifferling
Eierschwammerln
Steinpilz
Steinpilz
Knabenkraut
Ein wunderschönes Knabenkraut, ...
Knabenkraut
... und gleich noch eines, ...
Blatt des Knabenkrauts
... und sein markantes Blatt
Schmalblättriges Weidenröschen
Schmalblättrige Weidenröschen

Ach daher kommt der Name!

Ein großer Schritt, und ich bin auf der anderen Seite eines kleinen Bächleins. Anscheinend stellt es eine Vegetationsgrenze dar, so schmal es auch ist. Denn in gleichen Mengen wie vorher die Teufelskralle, steht hier das Knabenkraut. Seine langen, schmalen Blätter haben grau-violette Flecken quer zur Längsrichtung. Dadurch sind sie so unverkennbar, dass man die Blattrosette dieser heimischen Orchideenart schon lange vor der Blütezeit ausmachen kann.

Statt dunkelblau-violetten, krallenartigen Blüten sind es diesmal lilafarbene. Und sie enden auch nicht in einer Spitze, sondern in einer wunderschön gezeichneten, dreilappigen Unterlippe. Und darüber zwei gleichfarbige Blätter, die wie ein Schnabel aussehen.

300 v. Chr. soll der griechische Naturforscher Theophrastos beim Anblick der zwei Wurzelknollen des Knabenkrauts spontan an die männlichen Genitalien gedacht haben. Und deshalb benannte er diese Blume nach ihnen. Denn „Orchis“ ist das griechische Wort für Hoden. So wurde das Knabenkraut sogar zum Namensgeber für die ganze Pflanzenfamilie der Orchideen.

Alles für die Knaben

Zum Glück ist der deutsche Name unauffälliger. Wir sagen nicht „Hodenblume“. Auch wenn unseren Vorfahren anscheinend der gleiche Gedanke gekommen ist. Denn der Geschichte nach versuchten einige von ihnen, die Geburt eines männlichen Erben dadurch zu erzwingen, dass sie ihren schwangeren Frauen die größere Wurzelknolle zu essen gaben. Mehr Hoden, mehr Männlichkeit! Das konnte ja nur zu einem Knaben führen.

Und für den haben wir auch gleich die richtige Pflanze parat: Das schmalblättrige Weidenröschen fängt an zu blühen. In der Volksheilkunde wird es oft als „Männerkraut“ bezeichnet. Denn seine Inhaltsstoffe sollen vorbeugend und heilend bei gutartig vergrößerter Prostata wirken.

Das heißt aber nicht, dass wir Frauen auf das Weidenröschen verzichten müssen. Denn abgesehen davon, dass ihm auch noch andere Heilwirkungen zugeschrieben werden, sind Wurzel, Blätter und Blüten essbar. Auch die jungen Sprosse kannst du in der Küche verwenden. Und aus dem blühenden Kraut wird durch Fermentation der altrussische Heiltee „Ivan Chai“ hergestellt.

Maikäfers Bruder

Überall sitzen und fliegen Junikäfer, die kleinen Verwandten des Maikäfers, und knabbern an den Blättern. Es ist gar nicht so einfach, schöne Triebspitzen zu finden. Ein paar Blüten picke ich mir heraus. Zusammen mit jungen Blättern kommen sie in den Salatbeutel. Dorthin wandern auch Wiesen-Bärenklau und Engelwurz, die mir auf meinem weiteren Weg begegnen. Auch wenn sich bei vielen schon die Blütenstände in die Höhe schieben, gibt es noch ganz zarte, junge Blätter.

Hast du auch schon diese schaumigen Gebilde darauf entdeckt? Die so aussehen, als hätte jemand auf die Blattunterseite gespuckt? 

Das sind die Nester der Schaumzikade. Die findest du auch auf anderen Pflanzen. Giftig sind sie nicht. Nur ekelig. Vergiss also nicht, deine Sammelstücke umzudrehen und nachzuschauen! Ich selbst wasche sie daheim einfach ab. 

Schmalblättriges Weidenröschen
Blüte des Schmalblättrigen Weidenröschens
Junikäfer
Junikäfer
Schaumzikadennest
Schaumzikadennest auf Nelkenwurz
Walderdbeere
Walderdbeere

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