Weiße Sterne

14.4.2024
Frisch lackiert
Gleich an der Bushaltestelle werde ich vom Weißdorn begrüßt. Seine Blüten glänzen wie mit Lack überzogen. Doch der Regen hat schon nachgelassen und die Wolken scheinen sich zu verziehen. Auf der anderen Straßenseite stecke ich gleich meine Nase in die lila Blüten des Flieders. Das mache ich jedes Mal, wenn ich vorbeikomme. Obwohl sie feucht sind, duften sie herrlich. Ich schau zum Fenster des Hauses dahinter. Heute werde ich nicht misstrauisch beobachtet wie die letzten paar Male. Wahrscheinlich hat mein ständig gezückter Fotoapparat die Bewohnerin doch endlich davon überzeugt, dass ich keine Gefahr für ihren herrlichen Fliederbusch bin.
Und Sprung
Wieder einmal bin ich bei meiner Freundin eingeladen. Darf in ihrem Garten ernten. Dort, wo ich mehr Wildpflanzen an einer Stelle finde, als bei vielen meiner Ausflüge in die freie Natur. Aber natürlich auch viel Angepflanztes und Eingesetztes. Unglaublich, wie sich alles weiterentwickelt hat seit meinem letzten Besuch!
Gleich am Eingang die Rote Heckenkirsche. Unverwechselbar sind ihre Blüten. Erinnern sie dich nicht auch an springende Turner? Die Narbe ist der Kopf. Die haarigen Staubfäden sind die erhobenen Arme und die weit gespreizten Beine. Die Staubbeutel Hände und Füße. Und dahinter schwingt der weiße Umhang.
Glatzkopf
Die Staubgefäße der Quitte sind noch von zarten, weißen Blütenblättern geschützt, während sie die Erdbeere ganz offen präsentiert. „Ich warte auf dich, Bienchen“, soll das wohl heißen. Die Knoblauchsrauke gibt ihre Schätze nicht alle auf einmal her. Und bei der Weinrebe ist es sowieso noch nicht so weit. Sie hat gerade angefangen, ihre Blätter zu entfalten. Nur an wenigen Stellen zeigen sich erste Blütenansätze, während der Feigenbaum sogar Früchte trägt. Die hat er schon vor dem Winter angelegt und braucht sie nur mehr zu vergrößern.
Viele Löwenzahnköpfe sind dagegen schon verblüht. Ein Windstoß genügt, und die weiße Haarpracht fliegt davon. Zurück bleibt ein trauriger Glatzkopf, der seine letzten drei Federn wohl auch nicht mehr lange halten kann.
Sterne
Die Bärlauchzeit nähert sich ihrem Ende. Die Knospen haben sich zu wunderschönen Blüten entwickelt. Weiße Sterne, die über einem Meer aus grünen Blättern schweben. Eingehüllt von Knoblauchduft hocke ich mitten in dieser Pracht. Ein paar Tropfen fallen immer wieder aus den letzten dunklen Wolken. Der starke Regen kurz zuvor hat es nicht geschafft, den Fichtenpollen abzuwaschen. Ein gelbgesprenkeltes Blatt nach dem anderen zupfe ich ab. In der Grube am Stängelansatz haben sich die Blütenreste vom Apfelbaum über mir gesammelt. Ich kontrolliere auch die Unterseite der bis zu unterarmlangen Blätter. Findest du auch immer öfter kleine Schnecken darauf? Nackte, so lang, wie mein Daumen breit ist. Und welche mit Häuschen, grad einmal 5 Millimeter groß. Diesmal werde ich meine Ernte wohl besser gründlich waschen, bevor ich sie verarbeite. Was meinst du?
Insektenbeine
Gegen den Zaun hin drängen sich immer mehr junge Gierschpflänzchen zwischen den Bärlauchriesen in die Höhe. Mit langen Stielen, um sich gegen die riesigen Bärlauchblätter zu behaupten. Den zweiten Beutel fülle ich damit. Das gibt noch einmal eine Ladung Gierschcracker. Als Knabberei für zwischendurch und als begehrten kleinen Snack für meine Besucher. Zurzeit natürlich am liebsten mit Bärlauchpesto.
Verabschiedet werde ich von der Bach-Nelkenwurz neben dem Parkplatz. Aus vielen ihrer orange-rosa Blüten haben sich schon stachelige Kugeln entwickelt. Wie ein Ball aus lauter Insektenbeinen mit ihren feinen Borstenkämmen am Ende. Der Weißdorn an der Haltestelle ist inzwischen ganz getrocknet und wieder bereit, bestäubt zu werden.
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