Mitten in der Stadt

💧 11.06.2024
Nass
Schon wieder Regen. Von gestern noch hängt meine Kleidung im Bad. Hat dunkle Rinnsale in der Wanne gebildet, die zum Abfluss streben. Und immer noch warten zwei Paar Schuhe auf dem Balkon darauf, dass die Sonne sie endlich trocknet.
Sind dir auch schon Schwimmhäute gewachsen von all der Zeit in nassem Schuhwerk?
Laufereien
Kleine Auszeit heute. Baumarkt und andere Laufereien. Ich lass mich vom Strudel der Menschen mitziehen. Raus aus dem Bus. Zielstrebig aufs nächste Geschäft zu. Ohne links und rechts zu schauen. Eile ohne Not. Aus purer Gewohnheit.
Halt! Bleib stehen! Wozu die Eile?
Stell deine Tasche ab und schau genau hin! Das ist nicht nur Gras zu deinen Füßen. Hier wächst noch viel mehr. Löwenzahn und Breitwegerich. Rot- und Weißklee. Sogar Gänsedisteln aus den Ritzen zwischen den Bodenplatten. Wie würde der Quendel duften, wenn die Blüten trocken wären? Wie viele Bienen wohl auf den Kleeblüten sitzen? Die Gänseblümchen haben heute geschlossen. Kein Betrieb bei Schlechtwetter!
Tropf, tropf, tropf
Ich bin so vertieft, dass ich den Regen vergesse. Kaum das Wasser spüre, das meinen Zopf entlang in den Kragen rinnt. Den Regenschirm zusammengefaltet im Seitenfach meines Rucksacks hocke ich am Parkplatz. Schaue und fotografiere. Schütze die Kamera mit meiner Mütze. Rücke manchmal ein bisschen zur Seite, wenn ich im Weg bin. Vergesse all den Trubel um mich herum.
Das ist halt so
Reger Betrieb vor dem Einkaufszentrum. Eilig hasten die Menschen hin und her. Kürzen den Weg ab über das Grün. Steigen achtlos auf all diese Pflanzen. Laut hör ich sie denken: „Ich hab nichts mehr zu essen daheim. Brauch noch was Gesundes. Bis auf ein paar Reste ist mein Kühlschrank leer.“ „Schön ist es nicht, das Gemüse. Der Salat ganz welk. Aber was Besseres gibt’s halt nicht.“
Und doch gibt’s was Besseres. Einen Laden, der ist immer geöffnet hat. Die Ware darin stets ganz frisch. Und sie kostet dich keinen Cent. Regional und Saisonal. Für jeden Geschmack etwas. Wälder und Wiesen stehen in Fülle. Üppiges Grün für dich und für mich. Hast du dich daran schon bedient?
Sogar hier in der Stadt, genau vor deinen Füßen, findest du mehr als dein Geschäft dir zu bieten hat!
Ja, natürlich solltest du das nicht essen. Abfälle und Schmutz, wohin du auch siehst. Die Straße direkt daneben. Davor ekle auch ich mich.
Mach dich schlau
Aber lernen kannst du hier. Dir die Pflanzen genau anschaun. Auf deinen Alltagswegen braucht es nicht viel Zeit. Alle paar Mal ein neues Pflänzchen dazu. Präg es dir gut ein. Informier dich, was du damit machen kannst.
Und dann geh hinaus in die Natur. Und kaufe dort ein, statt im Laden!
Inselgefühl
Und erst die Heimfahrt!
Inseln voller Farben. Wenn ich aus dem Busfenster schaue, dann rinnt mir das Wasser im Mund zusammen. Immer noch ein paar der violetten Türme des Wiesen-Salbeis. Seine Blätter könnte ich in Backteig tunken. Und zusehen, wie sie im heißen Kokosöl goldbraun und knusprig werden. Die Triebspitzen vom Echtem Labkraut, gekrönt mit gelben Blütenrispen, würd ich so gern in meinen Wasserkrug hängen. Köstliches Aromawasser. Die knackigen jungen Löwenzahnblätter, Spitzwegerich und Malve. Gewürzt mit den winzigen Blütenknospen der Schafgarbe und den rosa Triebspitzen von Dost und Quendel. Was für ein Salat!
Und doch sind all diese Herrlichkeiten nur für mein Auge. Meinem Gaumen verwehrt durch ihre Lage zwischen zwei Fahrbahnen oder direkt am Straßenrand.
Blühende Bienenweiden. Zumindest bei trockenem Wetter. Ein paar Quadratmeter voll bunter Farben. Nektar und Pollen für das fliegende Volk. Ein unwiderstehliches Angebot mitten in der Stadt.
Fortsetzung
Ich steig aus. Und da geht es weiter. Blüten- und Blätterpracht bis direkt vor‘s Haus. Die Malve lässt traurig ihre Köpfchen hängen. Stolz reckt sie die Flockenblume in die Höh. Dem Wetter zum Trotz. Das Johanniskraut spielt Sonne. Und das Gänsefingerkraut winkt mir mit all seinen Fingern zu. Wieder hocke ich im Regen. Hose und Jacke schon ganz nass. Verwundert schauen mich die Herrchen und Frauchen an, die ihre Hunde rund um mich herum spazieren führen.
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