Im Schilf verborgen
🌞 2.1.2025
Erste Runde
Noch jung ist das neue Jahr. Unter strahlend blauem Himmel mache ich meine erste Runde durch die Natur. Der Schnee hat sich in tieferen Lagen wieder ein wenig zurückgezogen. Welche Pflanzen hat er hier wohl freigelegt?
Schlaff liegen die großen Gierschblätter noch am Boden. Doch Erdbeerblätter, Nelkenwurz und Ehrenpreis haben sich schon wieder erholt.
Kaum zu glauben, dass ein so zartes Pflänzchen wie die Vogelmiere völlig unbeeindruckt von allen winterlichen Verhältnissen ist. Sobald sich eine Lücke in der Schneedecke auftut, reckt sie schon wieder ihre hellgrünen Triebe mit der charakteristischen Haarlinie am Stängel in die Höhe. Ihren Geschmack nach jungen Erbsen kannst du das ganze Jahr über genießen. Durch ihre Milde ist sie grad für Wildpflanzen-Einsteiger perfekt.
Ein Platz an der Sonne
Die Knoblauchrauke hat ein Plätzchen an der Sonne ergattert. Und vom Ackersenf sind die obersten Blätter noch ganz frisch. Hast du die kleinen Labkrauttriebe entdeckt? Wie winzige Nadelbäumchen sehen sie aus. In dieser Größe überstehen sie den Winter problemlos. Wenn du sie nicht pflückst 😊.
Der Efeu ist dem Licht entgegengeklettert. Mit winzigen Wurzeln hält er sich am Stamm der Erle fest. Über ihm hängen die dunklen Zäpfchen in Büscheln an den Zweigen. Und die roten Kätzchen warten darauf, endlich blühen zu dürfen.
Hühnchen mit Ohren
Völlig unerwartet stoß ich auf eine große Gruppe von Schwefelporlingen. Dachziegelartig übereinander gewachsen stehen sie von einer alten Pappel ab. Hätte ich sie nur zur rechten Zeit entdeckt! Das wär ein Vorrat von „Chicken oft the Wood“ für’s ganze Jahr gewesen. Veganes Hühnerfleisch – zumindest in der Konsistenz so ähnlich. Vom Geschmack her nur, wenn du es richtig würzt.
Doch jetzt sind die Fruchtkörper unansehnlich braun und trocken. Zersetzen sich bald wie das Holz, von dem sie gezehrt. Da halt ich mich lieber an die Judasohren am nackten Hollerstamm, durch das Schmelzwasser aufgeschwollen und dick. Im Schatten an der Rückseite des Stamms sind sie jedoch halbgefroren. Ihr Fleisch ist matschig und weich. Als ich sie ablösen will, zerreißen die ersten. Also lass ich sie für ein anderes Mal zurück.
Schlammschlacht
Solang der Boden gefroren ist, kann ich mich auch ins Schilfdickicht wagen. Zu anderen Zeiten versink ich hier im Schlamm. Jetzt rutsch ich nur einmal aus und fall auf den Hintern. Jackenärmel und Hose sind gleich voller Matsch. Wie gut, dass ich mehrere Stoffbeutel dabei hab. So kann ich einen zum Abwischen der nassen Erdklumpen verwenden. Das Äußere nach innen gestülpt pack ich ihn wieder ein.
Doch es hat sich rentiert! Zwischen Schilf und Walnussbäumen ist der Boden mit Wildem Schnittlauch bedeckt. Dicht wie Gras wächst er. Aber mit feinen grünen Röhren. Also folg ich dem Trampelpfad quer durch’s Schilf und sammle auf jeder Lichtung Büschel um Büschel ein. Und wieder werd ich von der Walnuss beobachtet. Ein riesiges Auge schaut mir aus der Borke des Stammes nach.
Baumschau
Der Rückweg führt über den Feldweg. Eiskristalle glitzern im Sonnenlicht. Ein knorriger alter Apfelbaum und Eschen voll mit schwarzen Knospen stehen an seinem Rand. Kaum mehr Beeren trägt der Gemeine Schneeball. Nicht wie im letzten Winter. Da konntest du sie bis in den Feber hinein sammeln. Aber seine Knospen sind schon dick und rot.
An der Walnuss hängt zwischen Clownsgesichtern mit Knubbelnasen noch eine letzte Nuss. Zu zweit oder zu dritt stehen die Birkenkätzchen steif von den Triebenden ab, während sich ihre Knospen fast an die Zweige schmiegen.
Mehr als zufrieden bin ich mit meiner Winterernte. Ich hab zwar fast nur Schnittlauch gepflückt. Doch der reicht dafür gleich für ein paar Wochen, wenn ich ihn kleingeschnnitten ins Gefrierfach geb.
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