Herbstgrün
⛅ 16.10.2024
Frisch paniert
Büschel von Gelb blühender Resede. Ein roter Farbtupfer dazwischen die kleine Mohnblüte. Gleich daneben die rosa Saat-Esparsette. Zahnlückig lacht mich das Franzosenkraut an. Konkurriert mit den weißen Sternchen der Vogelmiere.
Üppig ist die Böschung bewachsen. Was für eine Vielfalt an Jungpflanzen finde ich hier! Gerade so, als wär es im Frühling. Genussvoll greife ich zu. Bedien mich an dem kostbaren Grün. Eine große Handvoll stachelige Blätter. Hohle Stiele, aus denen es tropft. Bald kleben meine Hände vom Milchsaft der Gänsedistel.
Der Ackersenf wartet mit frühlingshaften Blattrosetten auf. Fein gekräuselt die jüngsten Blätter. Und noch ganz sauber, obwohl sie auf dem nackten Erdboden siedeln. An anderer Stelle ist er schon weiter. Reckt mir seine gelben Blüten entgegen. Wie würzig die schmecken! Das ist mehr als nur Dekoration auf dem Salat.
Obwohl er noch so niedrig ist, blüht er schon, der Weiße Gänsefuß. Helle Knöllchen an den Triebspitzen, die ich einfach mitsamt den Blättern abstreife. Sandig vom Mehlstaub bin ich jetzt. Wie paniert. Die winzigen Körnchen haften perfekt auf der Gänsedistelmilch.
Zweifel
Der schwarze Nachtschatten wuchert. Dicht gedrängt und voller Blüten und Früchte steht er. Rispen voll winziger, schwarzer Tomaten. Giftig das Kraut, wie bei allen Nachtschattengewächsen. So heißt es zumindest bei uns. Denn in einigen Teilen der Welt werden die jungen Blätter sogar als Gemüse genutzt. Und bei den violett-schwarzen Beeren ist es nicht anders. Vor allem die Osteuropäer kochen daraus Marmelade. Oder genießen sie sogar roh. Während sie bei uns immer noch als giftig gelten. Wenn auch nur leicht.
Ich hab sie noch nie gesammelt. Nicht einmal gekostet davon. Will mir erst ganz sicher sein, bevor ich selbst zugreife und sie in die Liste meiner essbaren Wildpflanzen aufnehme. Lieber halte ich mich an den saftigen Spitzwegerich. Noch ein Glas Hustensaft für den Winter ist sicher nicht schlecht.
Hinter allerlei Grün versteckt sich die Königskerze. Nur ein kleines Pflänzchen mit zarten Blüten. Pink leuchten die fedrigen Staubgefäße aus dem Gelb der Blütenblätter hervor. Kein Wunder, dass sie so anziehend auf Bienen, Fliegen, Schmetterlinge und allerlei Käferchen wirkt.
Angestachelt
Bald geht die Salatzone in buntes Strauchwerk über. Von nackten Zweigen leuchten rote Hagebutten. Stacheln krallen sich in meine Haut, als ich danach greife. Eine für mich, zwei für die Tiere. Die bleiben am Strauch. Die batzig-weichen wandern in meinen Mund. Kerne und Härchen spuck ich wieder aus.
Viel dickeres Fruchtfleisch haben die Früchte der Kartoffelrose. Bei ihr würde sich das Ernten so richtig lohnen. Doch nur wenige ihrer Hagebutten entsprechen noch meinen Qualitätskriterien. Ihnen zupfe ich die steif abstehenden, vertrockneten Blüten gleich an Ort und Stelle ab.
Wenn du sie erntest, dann zieh besser nicht an den Früchten, um sie vom Zweig zu reißen. Knicke sie seitwärts ab. So lassen sie sich leicht abbrechen, und du verletzt dich nicht durch das Zurückschnellen deines Arms an den Zweigen, die mit einem dichten Stachelkleid besetzt sind.
Von den winzig kleinen Hagebutten der Büschel-Rose fang ich gar nicht erst an zu sammeln. Ein Häppchen zwischendurch für Wildtiere. Aber zum Verarbeiten unrentabel. Doch sie zeigen, wie groß die Vielfalt der Wildrosen ist.
Kitsch
Verlockend sehen auch die schwarzen Liguster-Beeren aus. Doch sie enthalten Stoffe, die zu schweren Magen-Darm-Störungen führen können.
Auch das Pfaffenhütchen ist nicht dazu gedacht, von Menschen verzehrt zu werden. Vor allem seine Samen gelten als sehr giftig und können in größeren Mengen sogar zum Tod führen. Da nützt ihm sein liebliches Aussehen gar nichts. Für mich dient es nur als Fotomotiv. Immer wieder versuche ich, aus dem besten Blickwinkel einzufangen, wie sich die knallig orange Frucht aus der pinken Fruchthülle schiebt. Geradezu kitschig, hätte es nicht die Natur selbst gemalt.
Nicht einmal bis zum Hals reicht mir der Gemeine Schneeball. Und doch trägt er üppig. Rot, prall und rund sind seine Beeren. Ich prüfe mit Daumen und Zeigefinger, welche schon weich und reif ist. Drücke vorsichtig zu. Und dann, schwups in den Mund damit. Der abgelutschte Kern kommt wieder auf die Hand. Ein rosa Herzchen in jeder Frucht. Liebesbeweis von Mutter Natur.
Nasenzwicker
Auch der Ahorn schenkt mir ein paar seiner Früchte. Nasenzwicker heißen die geflügelten Nüsschen bei uns. Weil du ihre Hülle öffnen und mit der klebrigen Seite auf deinen Nasenrücken klemmen kannst. Bei wem sie als letztes abfällt, der hat gewonnen. Koste doch einmal den flachen Samen darin! Auch wenn er um diese Zeit schon reif, und damit trocken und bitter ist.
Schon längst hab ich die große Übertasche ausgepackt. Sie mit den vollen Beuteln und Kübelchen gefüllt. So ist es nur ein Handgriff, wenn ich ein paar Meter weiterziehe, um mir den nächsten Strauch mit essbaren Früchten vorzunehmen.
Träumerei
Schmetterlinge lassen sich mit ausgebreiteten Flügeln an mir vorbeitragen. Genießen die laue Oktoberluft. Wespen treiben Völlerei an den vergärenden Beeren. Vögel zwitschern in den Zweigen der Bäume. Und die gefräßige, schwarz-gelbe Larve des Marienkäfers hat sich verpuppt, um zum niedlichen roten Käfer mit den schwarzen Punkten zu werden.
Bauschige weiße Wolken ziehen über den blauen Himmel. Kleine Schäfchen auf der Suche nach ihrem Hirten. Ein fetter Hase, dessen Schnauze immer länger wird. Der Körper aufgeblasen. Die Hoppelbeine dicke Stampfer. Bis er sich schließlich in ein Monster verwandelt. Aber auch das lebt nur kurz. Ich liege im weichen Gras, den Rücken an die Böschung gelehnt. Die Hände unter dem Kopf verschränkt, lass ich meiner Fantasie freien Lauf. Schaue dem himmlischen Treiben zu.
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