Bärte und Gallen

1.3.2024

Wieder barfuß

Wie erwartet, war der Wintereinbruch nur kurz. Schon geht es wieder barfuß weiter. So praktisch sind meine Barfußschuhe. Heraus und wieder hineinschlüpfen ohne große Umstände. Sie sind schnell an die Karabinerhaken an meinen Rucksackträgern gehängt. Und wiegen tun sie fast nichts.
Kühl ist der Boden noch, aber beim Bergaufgehen hab ich sowieso zu warm. Schon nach den ersten Schritten merke ich den Energieschub. Biophotonen gelangen durch meine nackten Sohlen in meinem Körper und beleben jede einzelne Zelle. Das Licht des Lebens, das wir so dringend benötigen. Und von dem wir uns abschneiden, sobald wir Schuhsohlen zwischen uns und den Erdboden schieben. 

Matsch

Wie schon als kleines Kind liebe ich es immer noch, in den Matsch zu steigen. Zu spüren, wie sich die nasse Erde zwischen meine Zehen drängt. Wie das schmutzigbraune Wasser meinen Rist umspült. Immer wieder hebe ich einen Fuß auf, um Nadeln und dünne Zweiglein zu entfernen, die daran kleben bleiben. Brombeerknospen gibt es zum Naschen. Exotischer Kokosgeschmack aus Tirol. Auch die Himbeerruten bereiten sich aufs Austreiben vor.
Nach ungefähr 200 Höhenmetern hab ich genug Lebenslicht getankt. Ich reibe und drehe meine Füße in einem der Schneefleckchen solange, bis sie wirklich sauber sind. Auch der Raum zwischen den Zehen. Dann ziehe ich meine Schuhe wieder an.
Es gibt zu viel zu schauen rundherum. Da möchte ich nicht ständig auf den Boden achten. Auch wenn ich nicht besonders empfindlich bin: ich trete trotzdem nicht gern auf Brombeerzweige, die über den Weg kriechen, und anderes Unbequemes.
Und jetzt will ich einfach nur schauen und entdecken.

Barfuß
Barfuß
Brombeerknospe
Brombeerknospe
Himbeerknospe
Himbeerknospe
Füße säubern im Schnee
Füße waschen

Farbenrausch

Braunes Gras, frische grüne Halme dazwischen. Einzelne Kräutlein, die sich hervorwagen. Bunte Leberblümchen und Huflattich, der mit der Sonne um die Wette strahlt. Die rosaGlöckchen der Erika. Dicke Pestwurzknollen, die ihre kleinen weißen Blüten öffnen. Und an den Zweigenden der unbelaubten Schwarzbeersträucher beginnen sich die schmalen Knospen zu verdicken. Über mir krächzen sich fünf Tannenhäher von verschiedenen Bäumen aus zu.
Vielleicht die Eltern mit ihren drei Jungen.
Am Rand der Piste, wo der Schnee schon geschmolzen ist, schmiegt sich das Mausohr-Habichtskraut eng an den Boden. Die behaarten kleinen Blätter sind dunkelrot, so wie auch die Blattrosetten des Kriechenden Günsel. Anthocyane, eingelagert um die Pflanze vor der intensiven Sonneneinstrahlung hier in der Höhe zu schützen. Antioxidantien, die auch für uns wertvoll sind. Die unsere Zellen vor Alterung schützen und vorbeugend gegen Gefäßschäden wirken, wenn wir sie essen.
Doch noch gibt es hier oben nichts zu holen. Höchstens zu kosten, ein Vorgeschmack auf spätere Ernten.

Leberblümchen
Leberblümchen
Huflattich
Huflattich
Erika
Erika
Pestwurz
Pestwurz
Schwarzbeerknospen
Schwarzbeerknospen
Mausohr-Habichtskraut
Mausohr-Habichtskraut
Günsel
Günsel
Aussicht
Aussicht

Schauen und entdecken

Aber zum Schauen gibt es viel. In der Ferne die verschneiten Berggipfel bis hin zu den Gletschern. Und direkt vor mir Harz, das sich um Spechtlöcher bildet. Noch glasklare Tropfen, die langsam den Stamm hinunterrinnen. Baumbart, der von noch kahlen Lärchenzweigen hängt. Mit Sporen im Gewirr aus feinsten Ästchen, die wie Klettertierchen am Seil aussehen. Flechten, die das Holz überziehen. Und blaugraue Fichtengallen, die wie kleine Zapfen anmuten. Entstanden durch das Saugen der Grünen Fichtengallenlaus, die dort ihre Eier abgelegt hat.

In der Natur hängt alles zusammen. Kein Schwarz-Weiß-Denken. Kein Gut und Böse. Kein Schädlich-Nützlich. Alles hat seinen Sinn. 

Frisches Fichtenharz
Frisches Fichtenharz
Bartflechten-Spore
Bartflechten-Spore
Baumbart und Flechten
Baumbart und Flechten
Fichten-Galle
Fichten-Galle

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