Alpin
🌞23.8.2024
Vogelflug
Weit erstreckt sich mein Blick über das Tal. Die Stadt unter mir liegt im trüben Dunst, während ich die klare Bergluft genieße. Vogelgezwitscher mischt sich mit dem Rauschen des Windes, der durch die Zweige der Bäume streicht. Hoch oben kreist ein Greifvogelpärchen. Ob es ein Habicht oder ein Bussard ist, weiß ich nicht. Kannst du Vögel im Flug an ihrer Silhouette erkennen?
Berauscht
Meisterwurz blüht am sonnigen Gestein. Erika mit unzähligen rosa Blüten rund um das Geröll. Die Felsbrocken sind mit bunten Flechten dekoriert. Schwarzbeeren und Rauschbeeren wachsen wild durcheinander. Die einen süß-sauer mit tief-violett durchgefärbten Beeren, die anderen fad und farblos. Du kannst sie ganz einfach an ihren Blättern unterscheiden. Reines Grün und mit schmaler Spitze das Laub der Schwarzbeeren. Blaugrün und mit schmalem Ansatz dagegen das der Rauschbeeren. Doch beide mit einem feinen Netz aus Blattnerven.
Lass dich vom Namen der Rauschbeere nicht abhalten, ein paar davon zu kosten. Nur, damit du den Unterschied schmeckst. Sie ist nicht wirklich giftig. Rauschzustände, Erbrechen und Sehstörungen wurden nur selten nach dem Verzehr großer Mengen beobachtet. Ich selbst hab nie was gespürt. Außer der Enttäuschung beim Geschmack, solange ich sie für Schwarzbeeren gehalten hab.
Zerfetzt und zerzaust
Dutzende von prächtigen Goldröhrlingen säumen den Steig. Dazwischen ganz junge Hohlfußröhlinge. Hellgelb sind noch die Röhren und die weißen Velumreste hängen in Fetzen vom braunen Hut. Hart und glänzend stehen die Zapfen der Latschen von den Zweigen ab. Die zerzausten Samenstände der Küchenschelle strecken ihre behaarten Arme aus. Wie vielbeinige Spinnen, die ins Leere greifen.
Manche der Almrosen sind mit Basidien befallen und haben unförmige Scheinfrüchte ausgebildet. Alpenrosen-Äpfel werden die Wucherungen dieses parasitär lebenden Pilzes genannt. Noch geschlossen sind die wahren Früchte. Kapseln, in denen die Samen reifen. Steif ragen sie aus dem Blätterkranz am Zweigende in die Höh, verziert mit dünnen, roten Stielen.
Winzige Grünerlen werden von herbstlich verfärbten Enzianblättern überragt. Und der giftige Kälberkropf trägt Rosa.
Geschmacksprobe
Die Süße der ersten Himbeeren, die ich koste, lässt zu wünschen übrig. Und auch die Preiselbeeren sind noch nicht reif. Doch nur ein Stück weiter jubelt mein Gaumen über ihre Süße. Unbeschattet in der prallen Sonne sind sie perfekt rot und wurmfrei.
Mahlzeit
Die Zirbentschurtschen sind schon viel zu reif, um noch Saft daraus zu machen. Abgeknabbert liegen sie überall verstreut. Die flache Wurzelscheibe einer umgestürzten Fichte versperrt mir den Weg. Ich umrunde sie und finde weitere Zapfen. Aus ihren freigelegten Samenhaltern ragen die dunklen Schalen der harten Kerne hervor. Wer hat sie mühsam von den klebrigen Schuppen befreit und so liegengelassen? Lauter unterbrochene Mahlzeiten. Warum?
Taube Nuss
Ich sammle die Zirbelnüsse. Eine ganze Handvoll. Hier kann ich sie nicht knacken. Ich steck sie ein und nehm sie mit. Am Weg sind dann Steine genug. Flache zum Drauflegen und runde zum Knacken. Taube Nüsse sind’s. Leere Schalen mit nichts als einem vertrockneten Häutchen darin. Frust für die Tiere, die sich einen fettreichen Kern erhofften.
Mehr Nahrung gab’s für die Insekten, die die Alpendostblätter durchlöchert haben. Teils sind nur die Blattnerven übriggeblieben. Auch für mich gibt’s jetzt was anderes als nur Pilze zu holen.
Brennnesseln in großen Gruppen. Mit dichtbehangenen Samenrispen. Ich zupfe die Blätter weg und streif die Samen ab. Arbeite mich immer tiefer hinein. Die Hände kribbeln. Ellbogen und Seiten jucken, wo mich die Stauden umschließen. Shirt und dünne Hose sind kaum Barriere für die Brennhaare, die sie mühelos durchdringen. Doch der Beutel um den Hals füllt sich. Meine Ernte wächst.
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