Hexenlehrling
🌞 20.7.2024
Gleichklang
Katrin ist meine Seelenverwandte. Verliebt in die Natur, genauso wie ich. Stundenlang können wir beide ziellos durch die „Wildnis“ streifen. Uns an dem erfreuen, was wir sehen, riechen, schmecken und spüren.
Jeder Augenblick ein Geschenk. Jedes Tier, jede Pflanze ein Wunder. Innig verbunden sind wir mit allen Geschöpfen. Tief verwurzelt in Mutter Natur.
Sie war mein erster Kräuterhexen-Lehrling. Barfuß ist sie mit mir auf meinen Hausberg gegangen, mit Sammelbeuteln behängt. Hat jedes Pflänzlein betrachtet, das ich ihr gezeigt hab. Von allem gekostet. Mehr gegessen und eingepackt von dem, was schmeckt. 1.246 Höhenmeter Brunch. Von der Gänsedistel am Ausgangsort bis zur überreifen Preiselbeere knapp unterm Gipfelkreuz.
Kostbare Tage
Zwei bis dreimal im Jahr kommt sie zu mir auf Besuch. Ein paar Tage und Nächte voller Harmonie.
Was ist Alter? Nichts als eine Zahl, die die gelebten Jahre angibt Aber nicht wie du dich fühlst.
Ganze 35 Jahre jünger als ich ist Katrin. Vielleicht bin ich ein bisschen in der Lebenserfahrung voraus. Aber auch nicht auf allen Gebieten. So wie sie sich an meinem Pflanzenwissen nährt, erfahre ich von ihr über die Welt. Denn weit gereist ist sie. Hat vieles erlebt. Dagegen ging meine weiteste Reise in das tiefste Innere meines Selbst.
So ergänzen wir einander, wachsen miteinander und aneinander. Teilen unser Wissen und unsere Freude an den Wundern unserer Welt.
Froschgetümmel
Und wieder sind wir miteinander unterwegs. Der Altersunterschied ausgelöscht. Offen für alles entdecken wir die Natur. Voller Neugier und Staunen. Zwei Kinder mit alter Seele, doch jungem Gemüt.
7 Stunden lang durchstreifen wir die „Wildnis“. Die meiste Zeit barfuß. Genussvoll stapfen wir durch den kühlenden Schlamm. Hinterlassen tiefe Spuren, die sich schnell mit schmutzig-braunem Wasser füllen. Fichtennadeln bleiben an unseren verkrusteten Füßen kleben. Zweiglein stecken zwischen den Zehen.
Und dann wimmelt es plötzlich vor unseren Füßen. Winzige Frösche queren den Weg. Wir versuchen, nicht draufzutreten. Aber es ist fast unmöglich. Überall sind sie. Auf dem Weg. Im Gras. Im dichten Moos. Tausende und Abertausende. Bald geben wir es auf, sie zu retten und auf die andere Seite zu setzen. Gehen weiter wie auf rohen Eiern. Jeder Schritt ein „Hoffentlich hab ich keinen erwischt!“
Sammlerglück
Unsere Augen scannen das Gelände. Es ist Schwammerlzeit und überall könnten sie stehen. Gelber Schimmer im grünen Moos. Braune Hüte, von Erde verdeckt.
Doch wir bücken uns auch nach den winzigen Walderdbeeren. So köstlich im Geschmack. Volles Aroma. Jede einzelne eine Kniebeuge wert.
Bald wandern die ersten Eierschwammerl in den Beutel. Schöne, trockene, mit festem Stiel. Und da! Der erste Steinpilz. Halb versteckt unter Nadeln und Gras. Hättest du ihn entdeckt? Madenfrei der Hut und auch der dicke Stiel. Was für eine Freude! Die Röhren sind noch weiß.
Am Fuß der alten Lärche warten ein paar Goldröhrlinge. Und Schweinsohren gibt es heuer überall. Der Flaschenstäubling schließt unsere Mischpilzpfanne ab. Jetzt brauchen wir noch Gemüse und Salat.
Beilagen
Ein paar junge Blätter von der Kohldistel. Aber nur die nicht angeknabberten. Spitzwegerich. Breitwegerich natürlich auch. Lang hängen die Leitungsbündel aus den Stängeln, als wir sie von der Pflanze ziehen. Löwenzahn und Brennnesselspitzen mit den Samenrispen daran. Sogar die sind mit Brennhaaren besetzt.
Die Blütenknospen der Wilden Möhre kommen in den Gemüsebeutel. Wir sehen uns jeden Bärenklau genauer an. Seine Blattscheiden schmecken gedünstet so lecker. Wenn sie nicht jetzt schon Im Mund verschwinden. Zarte junge Blätter finden wir kaum mehr. Aber die dicken, fleischigen Stängel der alten können wie Rhabarber geschält werden. Schmecken erfrischend und saftig. Passen ins Gemüse oder auch den Salat. Hast du sie schon einmal probiert?
Gefahr!
Und da steht er dann. Mitten zwischen den anderen Doldenblütlern. Ihr giftigster Vertreter. Ganz unscheinbar, wenn du die Gefahr nicht kennst. Doch er warnt dich mit seinen roten Flecken auf dem Stängel. „Rühr mich nicht an!“
Der Gefleckte Schierling ist’s. Der, durch den Sokrates hingerichtet wurde. Selbst den Schierlingsbecher leeren musste, im Angesicht seiner Freunde. Ein qualvoller Tod, der mit der Lähmung der Füße beginnt. Die über das Rückenmark bis zur Atemmuskulatur aufsteigt. Bis der Vergiftete bei klarem Bewusstsein erstickt.
Greif also nicht daneben! Schau genau hin! Nimm nur, was du zu hundert Prozent erkennst!
Einfach ist das beim Schmalblättrigen Weidenröschen. Unverwechselbar, sobald es zu blühen beginnt. Koste die zarten, knospigen Spitzen! Nimm ein paar Blätter für den Salat. Und die Blüten als Deko dazu.
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