Sonnenhang
13.12.2024
Geheimnis
Ein Steilhang, nach Süden ausgerichtet. Das ist das Geheimnis!
Denn solange der Schnee nicht allzu tief liegt, rutscht er hier einfach ab. Die Pflanzen werden gleich wieder von der Sonne getrocknet und gewärmt und erholen sich schnell. Und du kannst jetzt, Mitte Dezember, wunderbares Grün ernten.
Mütze und Handschuhe hab ich im schattigen Wald dringend gebraucht. Aber jetzt ist es kaum auszuhalten damit. Innerhalb kürzester Zeit hat mich die Sonne aufgeheizt und zum Schwitzen gebracht. Also leg ich alles Überflüssige mit dem Rucksack ab und mach mich barhäuptig und im Pullover ans Erforschen der Pflanzenwelt.
Die üblichen Verdächtigen
Allgegenwärtig die Brombeeranken. Viele kniehoch, doch sie kriechen auch am Boden entlang. Suchen nach neuen Stellen, wo sie wieder in die Höhe steigen können. Mit spitzen Stacheln sind ihre Zweige bewehrt. Auch von der Blattrippe an der Unterseite stehen sie in einer Linie ab. Also pass auf, wenn du nach ihnen greifst! Zieh das Blattgrün am besten rechts und links vom stacheligen Mittelteil ab, bevor du es in den Mund steckst!
Noch schmecken die Knospen in den Blattachseln fast nach nichts. Doch im Laufe des Winters wird sich das ändern. Ab Februar, wenn die Säfte in dem Rosengewächs wieder aufzusteigen beginnen, entwickelt sich ein zarter Kokosgeschmack.
Wie an den Boden geklebt findest du die Rosetten der Gänsedistel. Ihr Rand ist mit scharfen Spitzen geziert. Doch sind die mehr eine Drohung fürs Auge, denn wirklich stechen tun sie nicht.
An einen wärmenden Stein gelehnt genießt der Ackersenf die Sonne. Der Winzige daneben trägt noch sein schützendes rotes Jugendkleid. Hat Anthocyane in die Blätter eingelagert, die als Sonnenschutz dienen, indem sie UV-Licht absorbieren.
Augen auf!
Je länger ich auf den Boden sehe, desto mehr offenbart sich mir, was ein flüchtiger Blick sehr schnell übersieht:
Dicht drängen sich die gefältelten Blätter der Wilden Malve aneinander. Jedes einzelne mit dem charakteristischen roten Mal in der Mitte. Wenn du sie lange genug kaust, werden sie immer süßer, weil sich die Schleimstoffe darin entfalten. Würzig nach Pilz schmecken dagegen die Blätter des Spitzwegerich, die du ganz einfach an ihren parallelen Blattnerven erkennst. Stark behaart sind sie jetzt. Das schützt sie vor der Kälte. Ein richtiges Pelzchen tragen sie oft.
Wie soll ich dir den Geschmack des Kleinen Wiesenknopfs beschreiben? Am besten kostest du selbst davon! Das gilt aber nicht für die dreigeteilten Blätter des Leberblümchens! Auch wenn sie appetitlich aussehen – giftig sind sie, genauso wie ihre wunderschönen Blüten im Frühling.
Winterschlaf
Halb in der Erde vergraben ist das Haus einer Weinbergschnecke. Ich lass es, wo es ist. Vielleicht überwintert sie ja darin.
Hopfenzapfen und Ahornflügel hoffen immer noch darauf, dass ihre Samen irgendwann keimen. Jeder kleine Windstoß erfasst sie und trägt sie davon. Wo sie wohl landen und Wurzeln schlagen werden?
Samtig weich fühlen sich die dicken, hellgrünen Blätter der Königskerze an. Wie schön, wenn ich etwas daraus nähen könnte! Aber natürlich geht das nicht, es würde beim Trocknen zerbröseln. Auch die Nachtkerze darf nicht fehlen! Fast wie ein Weihnachtsstern präsentiert sie sich jetzt. Zu schade, um die Wurzel auszustechen. Auch wenn sie mir hervorragend schmeckt.
Versteckt im Gebüsch aus vertrocknetem Beifuß find ich sogar noch zwei Löwenzahnblüten. Die eine weitgeöffnet, die andere liegt schon flach. Und direkt daneben das Fingerkraut, das seine handförmigen Blätter an langen Stielen der Sonne zu reckt. Sogar der Wilde Fenchel wächst auf der Wiese. Aromatisch seine fein gefiederten Blätter, wenn im Abgang vielleicht auch ein bisschen herb. Kann sein, dass du ihn von weitem mit der Schafgarbe verwechselst. Doch sein intensiver Duft beim Zerreiben verrät ihn dir gleich.
Spargel
Den Weg entlang ein Stück weiter unten fließt ein schmales Bächlein dahin. Am Ufer Kohldistelblätter in allen Größen, weil sie die Feuchtigkeit liebt. Siehst du die roten Stängel des Mädesüß? Auch das gibt es hier.
Auf der Wasseroberfläche treiben winzige Wasserlinsen. Kaum sichtbar die einzige Wurzel, die sie stabilisiert. Richtig plump wirkt daneben die Bachbunge, deren fleischige Blätter du das ganze Jahr über ernten kannst.
Auf Brusthöhe am Holunder wächst das Ruprechtskraut. Ich mag Geschmack und Geruch, auch wenn es Stinkender Storchenschnabel heißt. Auch vom Zimbelkraut daneben kannst du essen. Die Blätter des Mauerblümchens schmecken fast wie Kresse, so scharf.
Leer sind die Hüllen der Brennnesselsamen. Ihr Inhalt geerntet, gefressen oder ausgefallen und vielleicht schon gekeimt. Und an mannshohen Stielen flattern die rostbraunen Samenfäden des Waldgeißbarts im Wind. Hier werden im Frühjahr neue Triebe wachsen. Gern werden sie von mir mitsamt ihren ersten, zarten Blättern als Wildspargel verspeist.
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