Blutstropfen

30. November 2023
Am Waldrand
Anhaltende Kälte. Jetzt ist wirklich Winter! Die dicke Winterjacke, Handschuhe und Mütze schützen mich vor der eisigen Luft. Aber mein Hunger nach sauberer Waldluft treibt mich trotzdem nach draußen.
Eichenlaub sprenkelt die verschneite Wiese. Kahl stehen die Sträucher am Waldrand. Einzelne vertrocknete Blätter hängen noch an den Zweigen. Nur die ovalen Beeren des Gemeinen Schneeballs bringen noch Farbe ins dürre Geäst. Ich zupfe ein paar der noch prallen Früchte ab. Als ich sie in den Mund stecken will, fallen mir drei davon aus meiner Hand. Wie Blutstropfen leuchten sie aus dem Weiß des Schnees.
Vom kleinen Bach her leuchtet es grün. Vorwitzig reckt die Bachbunge ihre Triebspitzen aus dem eisigen Wasser. Frisch wie eh und je die grünen Blätter an den fleischigen Stängeln. Einfrieren, auftauen, und wieder einfrieren. Den ganzen Winter lang erträgt sie dieses Spiel – und grünt unermüdlich weiter.
Wer lauscht denn da?
Natürlich halte ich wieder Ausschau nach Holunder. Nach alten Sträuchern, nach Stämmen und Zweigen, an denen die Rinde fehlt. Schon lachen mir die ersten Judasohren entgegen. Auf einem abgestorbenen Ast, der in den Bach gefallen ist, sitzen sie. Mit gespreizten Beinen stehe ich rechts und links am Ufer und fotografiere die knorpeligen Pilze. Dann ziehe ich kurzerhand den Ast an Land. Ich sammle die größeren Ohren ab und lasse die kleinen weiterwachsen. Die hol ich mir ein anderes Mal. Ich drehe mich um, und schon sehe ich die nächsten samtigen Lauscher.
Pilze sammeln im Winter: ein Vergnügen der besonderen Art!