Blüten und Beeren
3. Juli 2023
Riesenschritte
In Riesenschritten schreitet die Natur voran. Zehn Zentimeter und noch mehr wachsen manche Pflanzen an einem einzigen Tag. Aus Blattrosetten schieben sich Blütenstände heraus. Dünne, dicke, glatte, gefurchte, kahle und borstig behaarte. Blütenköpfchen nicken an grünen Stängeln. Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge umkreisen rote, weiße, gelbe, blaue und violette Blüten. Überall summt und brummt es. Zikaden legen ihre Brut in Nester aus Schaum, die sie an die jungen Bärenklaublätter heften. Noch ist der Winter weit. Aber die Natur muss schon jetzt für die nächste Generation sorgen.
Noch blühen Schwarzer Holunder, Himbeeren und Brombeeren. Doch schon seit Wochen nasche ich von den köstlichen Walderdbeeren. Auch die Schwarzbeeren (Heidelbeeren) sind schon fast erntereif. Und die Beeren des Roten Holunders färben sich zunehmend von grün auf rot. An den Brennnesseln findest du immer noch die waagrecht abstehenden männlichen Blüten. Doch immer öfter begegnest du auch schon leeren Blütenständen. Von den weiblichen Brennnesseln dagegen kannst du schon erste Samen ernten. Angenehm nussig schmecken diese grünen Powerpakete. Und wie viel gesünder ist es, sie direkt von der Pflanze zu knabbern als aus der Dose. Denn getrocknet bekommst du sie als eiweißreiche Sportlernahrung in Apotheken und Onlineshops.
Blütenrausch
Wie weißer Schaum schweben die Mähdesüßblüten über ihrem grünen Blattwerk. Käfer paaren sich in der bauschigen Wattewolke. Die Bienen holen sich dicke Hosenbeine aus gelbem Pollen, wenn sie an den unzähligen Staubbeuteln streifen. Genau jetzt ist der richtige Erntezeitpunkt. Denn die unteren Blüten haben sich schon geöffnet, während die Knospen auf der oberen Hälfte der Blütentrichter noch geschlossen sind.
⇒ Hast du gewusst, dass das weltberühmte Medikament Aspirin seinen Namen dieser Pflanze verdankt?
Denn 1897 synthetisierte der Apotheker Felix Hoffmann aus dem Mädesüß den Wirkstoff Salicylsäure. Der ist die Basis für Aspirin. Und da man diese Pflanze früher zu den Spiersträuchern zählte, hatte sie den lateinischen Namen „Spiraea ulmaria“. Aus “a spiraea” (lateinisch für: von der Spiere) wurde Aspirin.
Ich aromatisiere mit den Mähdesüßblüten gerne Wasser oder Pflanzenmilch. Und für den Winter hänge ich sie büschelweise zum Trocknen auf. Daraus wird ein wunderbarer Tee, den ich gerne bei Kopfschmerzen oder Erkältungskrankheiten trinke.
Männerkraut
Der weibliche Organismus ist viel komplizierter als der männliche. Schwangerschaft und Geburt sind mit gewaltigen Hormonschwankungen verbunden. Das Gewebe muss sich dehnen und wieder zusammenziehen. Der Stoffwechsel ist ungemein gefordert. Deshalb gelten viele Pflanzen als besondere Frauenheilkräuter. Sie unterstützen den weiblichen Organismus bei den unterschiedlichsten Herausforderungen des Lebens.
Das Weidenröschen dagegen ist eines der wenigen speziellen Männerheilkräuter. Natürlich kann es auch von Frauen angewendet werden. Zum Beispiel bei Harnwegsproblemen. Seine eigentliche Stärke ist aber die Vorbeugung und Linderung von Prostatabeschwerden. In der Volksmedizin wird es bei gutartigen Prostatavergrößerungen eingesetzt. Und die trifft viele Männer im fortgeschrittenen Alter. Deshalb pflück ich auch davon einen Strauß. Dann kann ich meinen lieben Freunden einen ganz besonderen Tee anbieten. Wohlschmeckend und hochwirksam.
Urkarotte
Überall am Wegrand blüht die Wilde Möhre. Diese Urform der Karotte hat auch essbare Wurzeln. Allerdings kann man sie nur im Herbst des ersten Jahres ernten. Denn eigentlich sind sie als Speicherorgan der Pflanze für den Winter gedacht. Wenn die Wilde Möhre im zweiten Jahr nach oben schießt und Blüten und Samen ausbildet, dann werden die Nährstoffe aus der verdickten Wurzel aufgezehrt. Sie wird faserig und hart und für die menschliche Ernährung unbrauchbar. Die jungen, zarten Blätter und Blüten dagegen schmecken roh im Salat oder gedünstet im Gemüse.
Siebenerlei Blüten
Weißer Holunder, Wiesenlabkraut, Echtes Labkraut, Schmalblättriges Weidenröschen, Wilde Möhre, Gelber Steinklee und Mähdesüß haben mich heute reichlich beschenkt. Dieses Naturerlebnis, die Augenweide, der herrliche Duft werden in mir wieder aufleben, wenn sich an kalten Winterabenden die bunten Blüten in der gläsernen Teekanne entfalten und der heiße Tee Herz und Körper erwärmt.